Von David Wainer
The Wall Street Journal
Übersetzung: Thomas Steer
Der coronabedingte Umsatzschub könnte länger anhalten als von vielen Anlegern erwartet und Pfizer damit weitere Deals ermöglichen.
2021 war die Pfizer Aktie noch ein Top-Wert. Doch in diesem Jahr schwächelt der Pharma-Riese. Das liegt zum Großteil an der Pandemie.
Wie bei keinem anderen US-Konzern ist Pfizers Erfolgsgeschichte eng mit Corona verwoben: Die beiden wichtigsten Produkte des Unternehmens sind der Corona-Impfstoff und die Corona-Tablette Paxlovid: Sie werden in diesem Jahr voraussichtlich einen Umsatz von 56 Milliarden Dollar erzielen, teilte Pfizer am Dienstag mit und erhöhte die Prognose für den Impfstoff um 2 Milliarden Dollar. Das entspricht etwa der Hälfte des Gesamtumsatzes, den das Unternehmen am Dienstag auf 99,5 bis 102 Milliarden Dollar geschätzt hat. Die starke Performance des Corona-Geschäfts ließ die Aktie des Unternehmens am Dienstag um 3,1 Prozent steigen.
Doch Pfizers Abhängigkeit von Corona ist ein zweischneidiges Schwert. Denn mit einer Pandemie lässt sich natürlich nicht so zuverlässig Geld verdienen wie zum Beispiel mit Herzerkrankungen und Krebs. Jetzt, da die Zahl der coronabedingten Krankenhausaufenthalte und Todesfälle glücklicherweise abnimmt, wird auch die Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen und Tabletten zurückgehen. Laut Analysten, die von Visible Alpha befragt wurden, wird Pfizers Umsatz mit dem Corona-Impfstoff von mehr als 32 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf etwa 10 Milliarden Dollar im Jahr 2024 zurückgehen.
Das setzt die Aktie unter Druck. Sie stieg zwar gestern aufgrund des positiven Quartalsergebnisses an, ist aber in diesem Jahr um 18,8 Prozent gesunken. Das ist deutlich schlechter als der 2,8-prozentige Rückgang des NYSE Arca Pharmaceutical Index. Letztes Jahr war es noch umgekehrt: Damals gehörte Pfizer zu den Top-Performern und legte 60 Prozent zu, während der Pharma-Index nur um 20 Prozent stieg.
Auch die übrigen Geschäftsbereiche von Pfizer stehen unter Druck. Etwa 17 Milliarden Dollar Jahresumsatz stehen hierbei auf dem Spiel. Grund dafür sind voraussichtliche Patentverluste in den kommenden Jahren für wichtige Medikamente, darunter das Blutverdünnungsmittel Eliquis und das Brustkrebsmedikament Ibrance. Viele Anleger stellen sich daher jetzt die Frage: Kann Pfizers Produktpipeline – und die Übernahmen, die das Unternehmen in Aussicht stellt – den Umsatzrückgang insgesamt kompensieren und gleichzeitig das Wachstum steigern?
In einem Interview am Dienstag behauptete Pfizer-CFO David Denton, dass das Unternehmen auf dem besten Weg sei, diese Ziele zu erreichen. Die Anleger sollten Vertrauen in die nicht coronabezogenen Produkte des Unternehmens haben. In den nächsten 18 Monaten wird das Unternehmen mehrere Produkte auf den Markt bringen, die bis 2030 einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Dollar erzielen sollen, sagte Denton. Außerdem könne das Unternehmen dank seiner gestärkten Bilanz auch in einem Umfeld mit steigenden Zinssätzen weiterhin eine Vielzahl von Deals abschließen.
„Das Thema Corona hat uns zwei Jahre lang ziemlich beschäftigt. Jetzt möchten wir den Anlegern und den Patienten, denen wir auf der ganzen Welt helfen, sagen, dass Pfizer in Zukunft noch einiges zu bieten hat“, so Denton.
Pfizer will bis 2030 durch Übernahmen einen risikobereinigten Jahresumsatz in Höhe von 25 Milliarden Dollar erzielen. CEO Albert Bourla sagte am Dienstag, dass das Unternehmen mit den jüngsten Übernahmen von Arena, Biohaven, Global Blood Therapeutics und ReViral ein Drittel des Weges dorthin zurückgelegt hat.
Das lässt die Frage offen, ob Pfizer einen größeren, durchschlagenden Deal benötigt, um die restlichen zwei Drittel des Weges zu schaffen. Denton wies dies mit dem Argument zurück, dass Pfizer das Ziel auch ohne einen „riesigen Megadeal“ erreichen kann.
„Bisher haben wir Deals in der Größenordnung von 10 und 12 oder auch nur von 1 oder 2 Milliarden Dollar abgeschlossen. Und ich denke, wir werden einen Portfolio-Ansatz verfolgen“, fügte er hinzu.
Pfizers Interesse an Deals ist zwar unbestritten, doch das bedeutet auch, dass einige der genannten Zahlen ein ehrgeiziges Ziel bleiben dürften.
Die Anleger könnten letztendlich jedoch eine Überraschung erleben. Zunächst einmal gibt es viel Positives in der bestehenden Produktpipeline von Pfizer. Dazu gehören unter anderem ein neuer Impfstoff gegen das Humane Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und ein neues Medikament gegen Migräne. Und schließlich könnte sich der Corona-Umsatz als dauerhafter erweisen, als es die Wall Street Pfizer zutraut.
Auf die Frage, ob es realistisch sei, dass die Corona-Produkte bis 2030 einen Umsatz von 15 Milliarden Dollar erwirtschaften können, sagte Bourla: „Das ist nicht unrealistisch.“ Der Gedanke dahinter ist, dass Corona-Impfstoffe bis dahin vielen Menschen jährlich verabreicht werden könnten, ähnlich wie Grippeimpfungen.
Pfizer könnte sich also auch weiterhin noch auf Corona konzentrieren.