Die Börsenwelt trauert um eine Legende: Charlie Munger, die rechte Hand von Warren Buffett, ist am Dienstagmorgen in einem Krankenhaus in Kalifornien wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag verstorben. Buffett betonte in einer Mitteilung am Dienstag, ohne Mungers Inspiration und Weisheit hätte deren Investment-Holding Berkshire Hathaway nie den aktuellen Status erreicht.
Wenn Warren Buffett und Charlie Munger zur Hauptversammlung von Berkshire Hathaway luden, pilgerten Börsianer aus aller Welt nach Omaha, Nebraska und füllten das CHI Health Center mit 40.000 Menschen randvoll. Als „Woodstock des Kapitalismus“ wurde das Event häufig bezeichnet, Fotos erinnern eher an ein Rockkonzert als an eine Hauptversammlung. Nun müssen die Aktionäre auf die weisen Worte einer der beiden Altmeister verzichten.
„Wir hatten in der ganzen Zeit, in der wir uns kennen, also seit fast 60 Jahren, nie einen Streit“, sagte Buffett 2018 gegenüber CNBC-Journalistin Rebecca Quick. „Charlie hat mir das größte Geschenk gemacht, das ein Mensch einem anderen machen kann. Er hat mich zu einem besseren Menschen gemacht, als ich es sonst gewesen wäre. Er hat mir im Laufe der Zeit eine Menge guter Ratschläge gegeben. Dank Charlie habe ich ein besseres Leben geführt.“
Der engste Vertraute und Weggefährte des „Orakels von Omaha“ war nicht nur Buffetts rechte Hand, sondern auch ein renommierter Immobilienanwalt, Vorsitzender und Herausgeber des Daily Journal, Mitglied des Costco-Vorstands, Philanthrop und Architekt.
Munger wurde am 1. Januar 1924 als Sohn eines Anwalts in Omaha geboren und diente mit 19 Jahren den US Army Air Corps. Anschließend studierte er Meteorologie am California Institute of Technology (Caltech) und absolvierte die Harvard Law School magna cum laude und gründete später die Anwaltskanzlei Munger, Tolles & Olson sowie den Hedgefonds Wheeler, Munger & Co.
Munger schloss seinen Hedgefonds 1975 und wurde drei Jahre später Vizepräsident von Berkshire Hathaway. Seine Begegnung mit Buffett im Jahr 1959 markierte den Beginn einer jahrzehntelangen Partnerschaft und Freundschaft. „Wir denken so ähnlich, dass es unheimlich ist“, erinnerte sich Buffett in einem Interview mit der Omaha World-Herald im Jahr 1977.
Munger war bereits selbst ein erfolgreicher Investor, bevor er offiziell Berkshire Hathaway beitrat. Er gilt als treibende Kraft hinter frühzeitigen Investitionen in Technologie-Unternehmen wie den chinesischen Elektroauto- und Batteriespezialisten BYD. Berkshire deckte sich auch groß mit Apple-Aktien ein, während der Preis vielen Anlegern bereits zu hoch erschien. Doch beflügelt vom Erfolg des iPhones stieg der Kurs noch deutlich höher.
Während Buffett oft bedeutungsschwer als das „Orakel von Omaha“ rüberkommt, mochten Anleger an Munger oft seine humorvolle Ader. Als im Jahr 2000 die damalige Internet-Blase platzte, lieferte Buffett bei der Aktionärsversammlung auf die Frage nach den Folgen von Spekulationen eine lange ernste Antwort über Schneeballsysteme. Munger bemerkte knapp und trocken: „Wenn man Rosinen mit Kot vermischt, bleibt es Kot.“ Ähnlich schätzte Munger auch Kryptowährungen ein, für deren Verbot er sich noch in diesem Jahr einsetzte, weil sie wie Glückspiel seien.
Munger veranstaltete bis kurz vor seinem Tod seine Freitagsmittagessen, zu denen zum Beispiel der Videospiele-Unternehmer Bobby Kotick und die Gründer der Bezahlfirma Stripe, Patrick und John Collison kamen. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, „herauszufinden, was funktioniert und was nicht und warum das so ist“, wie er dem Wall Street Journal vor vier Jahren verriet.
In seinem Interview mit dem Wall Street Journal vor wenigen Wochen wurde Munger gefragt, was Berkshire Hathaway mit dem riesigen Cashbestand von 157 Milliarden Dollar anfangen werde. Munger antwortete darauf: „Die Chancen, dass wir noch eine passende Gelegenheit finden, stehen 50:50.“
Munger hinterlässt sechs Kinder aus zwei Ehen, 15 Enkel und sieben Großenkel. Am 1. Januar wäre er 100 Jahre alt geworden. Sein Vermögen wurde Anfang des Jahres auf 2,3 Milliarden Dollar geschätzt. In seinem Daily Journal Portfolio befanden sich im dritten Quartal Aktien von Wells Fargo, der Bank of America, Alibaba und U.S. Bancorp im Gesamtwert von rund 160 Millionen Dollar (mit Material von dpa-AFX).