Im Zuge der heutigen Hauptversammlung des Bayer-Konzerns geriet CEO Bill Anderson ins Kreuzfeuer der Aktionärskritik. Während Anderson versuchte, Zuversicht zu verbreiten, forderten die Investoren mehr Tempo. Finanztreff.de beleuchtet die Details.
Ingo Speich, bei Deka verantwortlich für Nachhaltigkeit und Corporate Governance, betonte in seiner Ansprache: „Herr Anderson, Sie haben im ersten Jahr am Kapitalmarkt kein Vertrauen aufbauen können.“ Sowohl Speich als auch Janne Werning von Union Investment, der sich bei der Fondsgesellschaft mit der Ausrichtung von ESG-Fonds befasst, forderten entschiedene Schritte, um die aktuellen Herausforderungen von Bayer zu meistern. Zu diesen zählen vor allem die zahlreichen Klagen in den USA im Zusammenhang mit Glyphosat und PCB, eine beträchtliche Schuldenbelastung und eine im Vergleich zur Branche eher dürftige Pipeline an Pharmaprodukten.
Bayer sah sich auch veranlasst, angesichts der enormen finanziellen Belastungen durch Rechtsstreitigkeiten in den USA, die Dividenden auf das gesetzliche Minimum zu reduzieren, woraus für 2023 eine Auszahlung von lediglich elf Cent pro Aktie resultiert. Diese Rechtsstreitigkeiten, insbesondere rund um das Krebsrisiko durch glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel, binden seit Jahren erhebliche finanzielle Ressourcen des Konzerns. Zusätzlich sind durch die Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto im Jahr 2018, welche über 60 Milliarden US-Dollar kostete, weitere Milliardenrisiken entstanden. Infolge dessen und bedingt durch den anhaltenden Kursverfall ist die Börsenbewertung Bayers auf etwa 26,5 Milliarden Euro gesunken.
Forderungen der Investoren
Anderson blieb zuversichtlich und betonte, dass schnelle Lösungen nicht zu erwarten seien und auch schwierige Entscheidungen anstehen würden. Er ist jedoch überzeugt, dass Bayer einen Weg aus der Krise finden kann, auch wenn dies die Umsetzung eines neuen Führungsmodells und den Abbau von Managementstellen beinhaltet, um langfristig Kosten zu sparen und das Unternehmen effizienter zu gestalten.
Eine beträchtliche Anzahl von Investoren hatte die Hoffnung gehegt, dass mit dem Führungswechsel bei Bayer eine Aufspaltung des Unternehmens oder wenigstens der Verkauf einzelner Unternehmensbereiche in Angriff genommen werden könnte. Jedoch erteilte CEO Anderson solchen Spekulationen während eines Kapitalmarkttages zu Beginn des März eine klare Absage. Er argumentierte, dass eine komplette Aufspaltung des Konzerns viel Zeit beanspruchen würde und aufgrund der juristischen Schwierigkeiten, insbesondere im Agrarsektor, nur mit erheblichen Kompromissen durchführbar sei. Zudem wies er darauf hin, dass die Abspaltung der Sparte für rezeptfreie Medikamente mit beträchtlichen Kosten und steuerlichen Nachteilen verbunden wäre, wobei gerade dieser Bereich stetige Einnahmen generiert, die für Bayer von großem Nutzen sind.
„Ja, Bayer muss schneller und schlanker werden. Aber gibt es nicht noch drängendere Themen?", fragte Deka-Manager Speich vor diesem Hintergrund. „Das Haus Bayer brennt lichterloh und Sie als Hausherr fangen zuerst einmal an aufzuräumen, anstatt die Brände zu löschen."
Besonders kritisch äußerte sich Janne Werning: „Solange diese Kontroverse besteht, ist Bayer für unsere nachhaltigen Publikumsfonds nicht investierbar." Und: „Herr Anderson, Sie haben diese Probleme nicht selbst zu verantworten, sondern von Ihrem Vorgänger geerbt. Aber Sie stehen jetzt in der Verantwortung, Lösungen dafür zu finden".
„Texas Two-Step"-Strategie
Bloomberg-Berichte lassen verlauten, dass Bayer eventuell eine spezielle juristische Manöver, bekannt als „Texas Two-Step“, in Erwägung zieht, um die rechtliche Lage bezüglich der Glyphosat-Klagen in den USA zu entspannen. Diese Taktik könnte, obwohl sie bei anderen US-Firmen zu Kontroversen führte, potenziell einen Vergleich in den Glyphosat-Fällen herbeiführen und damit Bayer etwas Luft verschaffen. Allerdings steht diese Option noch in der Schwebe und könnte ebenso auf Ablehnung stoßen.
Das macht die Bayer-Aktie:
Die Bayer-Aktie steigt um 1,6 Prozent (mit Material von dpa-AFX).
von Sarina Rosenbusch
Hinweis auf Interessenskonflikte:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der alleinigen Gesellschafterin der finanztreff GmbH, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Bayer.