(Im 2. Absatz wurde der 3. Satz korrigiert, und es wurde ein zusätzlicher Satz eingefügt. Damit wird klargestellt, dass das Nicht-Eingreifen der Regierung nicht als Zitat dem Sprecher zuzuordnen ist.)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Deutsche Bahn steht wegen der Abschaffung der Familienreservierung bei Fernreisen ab diesem Sonntag immer stärker unter Druck. Auch Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat sich in die Diskussion eingeschaltet. "Ich halte es für ein falsches Signal", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Zwar bleibe die Bahn ein sehr familienfreundliches Verkehrsmittel. "Aber ich setze ein großes Fragezeichen dahinter, ob man sich jetzt in der Hauptreisezeit und zu einem Zeitpunkt, wo wir viele Aufgaben vor uns haben, das Bahnfahren attraktiver zu machen, damit einen Gefallen tut", führte Schnieder aus. Die Regierung will aber nicht eingreifen. Die Entscheidung falle ins operative Geschäft der Bahn, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Es bleibe Aufgabe der Bahn, ihre Tarifpolitik selbst zu gestalten.
Bahn erhöht Reservierungspreise
Der bundeseigene Konzern hatte am Dienstag mitgeteilt, dass Familien ab dem Fahrplanwechsel an diesem Sonntag nicht mehr zum Pauschalpreis beliebig viele Sitzplätze für sich und die Kinder reservieren können. Stattdessen müssen alle Reisenden - auch Kinder - jeweils für eine Sitzplatzreservierung zahlen. Zusätzlich wird der Preis für eine Reservierung in der zweiten Klasse um 30 Cent teurer und liegt dann bei 5,50 Euro pro Platz. In der ersten Klasse kostet der feste Platz dann 6,90 Euro statt 6,50 Euro.
Konkret bedeutet das: Anstelle der 10,40 Euro für eine Familienreservierung bezahlt eine Familie mit zwei Kindern künftig 22 Euro. Für Hin- und Rückweg kommen 44 Euro zusammen.
Kritik ebbt auch nach Tagen nicht ab
Seit Tagen hagelt es deshalb Kritik von Politikern und Verbänden. Inzwischen gibt es auch mehrere Petitionen mit bereits Tausenden Unterschriften. "Gerade in Zeiten, in denen die Deutsche Bahn mehr Fahrgäste für den Fernverkehr sucht, sollte sie schauen, wie das Reisen für alle attraktiver wird", heißt es in dem Aufruf des VCD. "Bisher war genau das durch die Familienreservierung möglich: Für Kinder unter 14 Jahren konnten die Sitzplätze kostenlos mitgebucht werden. Dass dieser Service ersatzlos gestrichen werden soll, bedeutet höhere Kosten."
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, sagte der "Bild"-Zeitung, mit der Abschaffung der Familienreservierung riskiere die Bahn leichtfertig einen weiteren Imageverlust.
Die Maßnahme treffe ausgerechnet diejenigen, die auf bezahlbare Mobilität angewiesen seien und auf Sitzplatzreservierungen nicht verzichten könnten. "Bahnreisen muss familienfreundlich sein", sagte Bilger. "Wer mehr Menschen für die Bahn begeistern will, muss familienfreundliche Angebote stärken, nicht streichen."
Bilgers Parteifreund, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Verkehr, Stephan Stracke, sagte, die Maßnahme käme zur Unzeit. "Bald beginnen die Sommerferien. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Familien sich jetzt gegen eine Reise mit der Bahn entscheiden und lieber das Auto nehmen."
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich hoffe, dass es noch ein Umdenken gibt. Die Bahn ist nicht so attraktiv, dass man sich solche Preissprünge einfach mal leisten kann."
Offener Brief - aber Bahn bleibt bei den Plänen
Der Verband Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen hat gar einen offenen Brief an die Deutsche Bahn geschrieben. "Familien und Kinder sind nicht nur das Rückgrat und die Zukunft unserer Gesellschaft - sie sind auch die Bahnkunden von morgen", heißt es darin. "Sollte man nicht alles dafür tun, möglichst vielen Kindern einzigartige Bahnerlebnisse zu bieten und sie so langfristig emotional an die Bahn zu binden?"
Doch ungeachtet der wachsenden Kritik hatte die Bahn zuletzt betont, an der Neuregelung festzuhalten. "Die Familienreservierung werden wir ab dem 15. Juni nicht mehr anbieten", hatte eine Konzernsprecherin bekräftigt. Der Konzern betont, dass Kinder und Jugendliche bis einschließlich 14 Jahren in Begleitung für das eigentliche Ticket nichts zahlen müssen.
Fünf Prozent aller Fernreisenden hätten die Familienreservierung bisher gebucht. Bei 133,4 Millionen Reisenden im Fernverkehr der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr wären das immerhin rund 6,7 Millionen Fahrgäste, die diese Option genutzt haben./maa/DP/mis