Gestern hui, heute pfui. Die Rekordhöhen im DAX sind am Donnerstag wieder ein Stück weit fortgerückt. Schuld ist vor allem DAX-Schwergewicht Siemens. Neben den vom Technologiekonzern am Morgen vorgelegten Quartalszahlen und Aussagen zu den weiteren Geschäftsaussichten haben die Aktionäre auch die Abspaltungspläne für die Medizintechnik-Tochter zu verdauen.
Der DAX hat am Donnerstag insgesamt unter Gewinnmitnahmen gelitten. Etwas mehr Druck kam zudem am Nachmittag auf, nachdem die US-Börsen ebenfalls mit Verlusten in den Tag starteten. Der jüngste Aufschwung geriet damit ins Stocken. Dass in den Vereinigten Staaten der Shutdown beendet wurde, bewegte die Anleger nicht.
Vielmehr belasteten hierzulande hohe Kursverluste beim Index-Schwergewicht Siemens nach den Quartalszahlen des Technologiekonzerns. Hinzu kamen deutliche Kursverluste bei Siemens Energy, Siemens Healthineers und RWE. Der deutsche Leitindex beendete den Xetra-Handel mit minus 1,4 Prozent auf 24.041,62 Zählern knapp über seinem Tagestief.
Nach dem Ende des Shutdowns müsse nun damit gerechnet werden, dass es auch wieder stimmungstrübende US-Konjunkturdaten geben könne, begründete Börsenexperte Andreas Lipkow die Vorsicht am Markt. In den kommenden Wochen werden sämtliche ausgefallene US-Daten über die Ticker laufen und laut Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets wohl "mit einer sehr hohen Fehlerquote behaftet sein". Entsprechend schwer werde es die US-Notenbank Fed haben, was die kommenden Zinsentscheidungen betreffe.
In besserer Form präsentierte sich der MDAX. Angesichts positiver Reaktionen auf zahlreiche Quartalsbilanzen mittelgroßer Unternehmen übersprang er zeitweise sogar wieder die runde 30.000-Punkte-Marke. Aus dem Handel ging er aber nur mit einem kleinen Plus von 0,12 Prozent auf 29.610,57 Punkte.
Der bisher längste Shutdown wurde am frühen Morgen durch die Unterschrift von US-Präsident Donald Trump unter den zuvor vom Parlament beschlossenen Übergangshaushalt beendet. Der Etat gilt nun jedoch nur bis Ende Januar. Sollte bis dahin kein regulärer Haushalt verabschiedet werden, könnte es ab Februar zum nächsten Shutdown kommen. In den vergangenen Tagen war das Ende des Stillstands bereits vorweggenommen und gefeiert worden.
So war der bekannteste Wall-Street-Index Dow Jones am Vorabend auf ein Rekordhoch geklettert. Einigen europäischen Börsen war dies ebenfalls gelungen, und auch der DAX hatte sich in den vergangenen drei Tagen stark entwickelt, sodass das Rekordhoch von Anfang Oktober bei 24.771 Punkten wieder greifbar nahe rückte.
Im DAX sackte Siemens als Schlusslicht um 9,4 Prozent ab. Die Aktie der Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers gab um 3,4 Prozent nach. Neben den vom Technologiekonzern vorgelegten Quartalszahlen und den Aussagen zu den weiteren Geschäftsaussichten hatten die Aktionäre auch die mittelfristigen Abspaltungspläne für die Medizintechniktochter zu verdauen.
Auch andere Unternehmen haben am Donnerstag Geschäftsberichte veröffentlicht. Aus dem DAX galt der Deutschen Telekom und dem Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck KGaA neben Siemens die größte Aufmerksamkeit. Hinzu kam eine große Zahl an Quartalsbilanzen aus MDAX und SDAX.
Spitzenwert in der ersten Börsenliga war die Merck-Aktie mit plus fünf Prozent. Zeitweise war sie angesichts überraschend starker Quartalszahlen auf den höchsten Stand seit Mitte Mai geklettert.
Die seit geraumer Zeit schwächelnde "T-Aktie" drehte nach anfänglichen Gewinnen ins Minus und gab letztlich um 0,2 Prozent nach. Auf dem Heimatmarkt habe die Telekom schwächer als erwartet abgeschnitten, auch wenn dies größtenteils durch positive Überraschungen andernorts ausgeglichen worden sei, hieß es von JPMorgan.
Die Allianz-Aktie gewann zum Schluss noch 0,3 Prozent. Sie wurde von guten Quartalszahlen des italienischen Versicherer Generali positiv beeinflusst. Dieser hatte aufgrund geringerer Schäden durch Naturkatastrophen im dritten Quartal einen Gewinnsprung verbucht.
Auch Rückversicherer Munich Re ging mit grünem Vorzeichen (+1,2%) in den Xetra-Feierabend. Die Aktie profitierte von einem positiven Analystenkommentar.
Die Bayer-Aktie gewann als zweitbester DAX-Wert heute 2,8 Prozent. Hier hatten sich gleich mehrere Analysten nach den Zahlen positiv geäußert.
Technologiekonzern Infineon profitierte lange von den am Mittwoch vorgelegten Quartalszahlen. Insbesondere mögliche Wachstumsimpulse durch KI-Rechenzentren kamen am Markt gut an. Zum Handelsschluss gab die Aktie dann aber doch 1,7 Prozent nach. Gewinnmitnahmen wurden nach dem starken Vortag genannt.
Im MDAX konnte hingegen die Renk-Aktie hinter Bilfinger satte sieben Prozent Kursgewinn verzeichnen. Der Getriebespezialist hatte ordentliche Quartalszahlen vorgelegt und glänzt mit einem riesigen Auftragsbestand. Am MDAX-Ende musste Aixtron einen Kursabschlag von über acht Prozent verdauen.
Für die im SDAX notierte Aktie der Heidelberger Druck ging mit einem Zuwachs von 9,8 Prozent die Erholung rasant weiter. Die LBBW hatte am Vortag im Nachgang des Halbjahresberichts zum Kauf geraten. Eckert & Ziegler zogen als zweitstärkster Wert um 8,4 Prozent nach oben. Umsatz und Gewinne waren im dritten Quartal weiter gestiegen. Damit lässt der Strahlen- und Medizintechnikkonzern die Probleme des Frühjahrs zunehmend hinter sich. Das Papier des Nutzfahrzeug-Zulieferers Jost Werke gewach nach einer laut Analysten "soliden Profitabilität" 8,2 Prozent.
Enthält Material von dpa-AFX